„Ich bin ein Schaf – holt mich hier raus!“
An Hl. Abend schauen wir gerne in die Krippe: Da gibt es viel zu entdecken, vor allem in der großen, bunten lebhaften Krippenlandschaft in unserer Marbacher Krippe. Unsere Suche zielt natürlich auf das kleine Kind ab.
Wir feiern in dieser Weihenacht, dass Gott zu uns kommt, in einem kleinen Kind.
Wenn Gott zu uns kommt, wen hat er dann im Blick?
Uns Menschen! Uns mit der ganzen Bandbreite unseres Lebens, all unseren Facetten, Biografien, Schicksalen…
Heute lade ich ein, auf eine Rolle in dieser Krippenlandschaft zu schauen, auf ein Schaf, auf uns als Schaf.
Das Kind in der Krippe nahm damals als Säugling die Schafe nicht zur Kenntnis, noch nicht!
Später wird genau dieses Kind die Schafe in Mittelpunkt stellen:
Mit seinem Reden und Handeln, mit seinem ganzen Leben bis in seinen Tod hinein, wird es glaubwürdig erfahrbar machen, dass ihm das Wohl eines jeden Schafes am Herzen liegt.
Hirte und Schaf, das ist eine innige Beziehungsgeschichte. In ihr geht es nicht um Hörigkeit, sondern um ein aufeinander Hören, das von Vertrauen geprägt ist.
Jesus, der sich selber als „guten“ Hirten bezeichnet, ist mit uns auf Augenhöhe.
Diejenigen, die sich in unserer Kirche als „Hirten“ und sogar als „Oberhirten“ bezeichnen, sind nicht auf unserer Augenhöhe – deshalb ist, auch gegenseitig, kein Vertrauen mehr da.
Was unserer Kirche schadet und sie nicht auf grüne saftige Wiesen führt, sondern an den Abgrund, ist dieses immer noch anhaltende Gebaren, das sich im Machtmissbrauch und im geistlichen Missbrauch zeigt.
Ich verstehe, dass es so viele Menschen gibt, die sagen: „Ich bin ein Schaf – und gehe selber raus!“
Das kann man machen!
Auch ich kenne viele Gründe dafür und dagegen. Darauf kann ich jetzt hier nicht eingehen.
Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass bei jedem Austritt und beim Versuch, die Kirche hinter sich zu lassen, ZWEI Verantwortlichkeiten
bestehen bleiben:
Zum Einen:
Auch außerhalb der Kirche habe ich als Mensch die Pflicht, mich um meine Seele zu kümmern, zu schauen, was ich brauche, dafür zu sorgen, dass ich das mir geschenkte Leben pflege und hüte. Mich um das biologische Überleben zu kümmern reicht nicht. Wir verkümmern, wenn wir uns nicht mehr um das seelische Über-Leben kümmern.
Zum Zweiten:
Es bleibt auch außerhalb der Kirche meine Verantwortung, mich für das Gemeinwohl einzusetzen. Wenn der Kirche die Möglichkeit, caritativ tätig zu sein, wegbricht, muss der Staat diese Aufgabe ausfüllen. Jede und jeder von uns bleibt Teil des Staates.
Was mir hilft und mich anspornt mit anderen Schafen unterwegs zu sein, ist nicht das, was wir mit dem Apparat „Kirche“ meinen.
Es ist das, was Kirche in seiner Grundbedeutung meint, Kirche im ursprünglichen Wortsinn: „Kyriake“, wörtlich „zum Herrn gehörig“.
Ich will Kirche sein mit allen, die eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus pflegen, mit allen, die sich zutiefst Jesus Christus zugehörig wissen und fühlen.
Das ist ja mit das Schönste an unserem Glauben, dass er ein Beziehungsgeschehen ist.
Zwei Menschen unterhalten sich. Sagt der eine: „Glaubst du an Gott?“ – „Nein“, antwortet der andere, „ich glaube nicht an Gott! Ich habe eine Beziehung zu ihm!“
Stefan Spitznagel